Vier Wochen Winter

19. September 2017

Vor einer Woche bin ich wieder in Bayern gelandet und lasse die letzten knapp vier Wochen in Argentinien Revue passieren.

Nach meinen zwei Bandscheibenvorfällen im Januar und der Operation Anfang Februar war es mein großes Ziel, für diese Reise und die abschließenden zwei Weltcups fit zu sein. Nachdem ich bis Anfang Mai nur leichte Reha-Übungen und viel Physiotherapie machen konnte, blieben mir noch drei Monate Zeit zum Trainieren, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen. Normalerweise steige ich spätestens Mitte April in das Vorbereitungstraining ein und habe, ohne die vorgelagerten Südamerikawettkämpfe, bis Dezember Zeit, mich körperlich auf die Saison vorzubereiten. Ab September steigen wir normalerweise ins Schneetraining ein, doch auch dies musste dieses Jahr schon ab Juni geschehen, aber ich konnte alles absolvieren und war guter Dinge.

Ich startete also am 19.8. bei 30 Grad Richtung Ushuaia in Argentinien. Ushuaia ist die südlichste Stadt der Welt und bekannt für ihren Hafen, von dem viele Antarktisexpeditionen starten, denn mit dem Schiff erreicht man die ersten Ausläufer bereits nach ca. 500km. Das Skigebiet Cerro Castor liegt eine halbe Stunde östlich von Ushuaia und ist dank dieser extrem südlichen Lage im europäischen Spätsommer eben ideal was die benötigten Winterbedingungen angeht. Zusammen mit der amerikanischen Nationalmannschaft und einigen kleineren Teams konnten wir dort auf einer Trainingsstrecke trainieren, die weit über dem Niveau eines Europacups und schon fast auf dem eines Weltcups lag, da es den Amerikanern gelang, einen unserer bekannten Weltcupkursbauer zu verpflichten.

Es waren also ideale Bedingungen für mich, um meinen Körper wieder ans Boardercrossfahren anzupassen. Der erste Meilenstein war erreicht, als meine Trainer und ich feststellen konnten, dass ich die Strecke im Griff hatte. Diese Kurse sind ja nicht in erste Linie ein Spass, sondern entsprechen eher einem Hindernisparkour, auf dem man später mit drei bis fünf gleichzeitig antretenden Fahrern oft eher Mühe hat auf dem Brett zu bleiben. Aber sowohl alleine als auch in den Heats konnte ich erstmal mithalten. Es war schnell klar, dass mein angeschlagenes linkes Bein und besonders der im Februar kurzzeitig gelähmte Unterschenkel noch nicht die gewünschte Schnelligkeit aufbringen konnte, aber ich war erstmal sicher unterwegs und sehr glücklich darüber.

Da es im Endeffekt beim Boardercross darum geht, nicht nur nicht vom Hindernisparkour abgeworfen zu werden, sondern sogar aus jedem Hindernis zusätzlich zur Hangabtriebsgeschwindigkeit nochmal zusätzlichen Vortrieb zu erzeugen, war ich hier natürlich körperlich noch stark eingeschränkt. Das hintere Bein setzt bei jeder kleinen Welle kurze starke Impulse und diese waren bei mir einfach noch zu langsam, sodass ich zwar dank meiner anderen Qualitäten im Mittelfeld mitfahren konnte, aber leider jeden Start verlor.

Ich legte also in den Trainingswochen in Ushuaia einen besonders starken Fokus auf diese Kraftfertigkeiten, denn ich wollte ja beim Weltcup beweisen, dass ich schon fitter bin, als alle erwartet hätten. Es lässt sich im Boardercross zwar immer viel mit Wahnsinn und Brettgefühl machen, aber auch beim Brettgefühl bin ich aufgrund des angeschlagenen Nervs leider noch nicht wieder ganz zurück. Da die Nervenheilung eine langwierige Sache ist, mache ich mir hier keine Sorgen, denn meine Ärzte tun bereits alles Mögliche für mich und ich bin bei allen Kontrollen bereits weit vor dem zu erwartenden Heilungsverlauf gewesen.

Dennoch war es eine schwere Einschränkung bei den ersten beiden Rennen und deshalb kann ich mich im Nachhinein auch immer mehr mit den mittelmäßigen Ergebnissen anfreunden. Jetzt folgen erstmal drei Monate hartes Training im Schnee und im Kraftraum vor meinen nächsten Wettkämpfen, bei denen ich dann in alter Topform antreten möchte.

Mal abgesehen von dem ganzen Gejammer war es auch ein super Trip und ich bin so froh überhaupt wieder snowboarden zu können. Argentinien ist ein extrem tolles Land und ich habe ein paar Fotos und Videos zusammengestellt, die das, glaube ich, ganz gut vermitteln. Meinem großen Ziel, bei den olympischen Spielen nochmal richtig Gas zu geben, bin ich durch diese Reise auf jeden Fall wieder ein gutes Stück näher gekommen!